Überleben im Radsport der untersten Kategorie

Anspruch und Wirklichkeit in den GS III-Teams klaffen weit auseinander

 

Der Radsport-Weltverband UCI teilt alle professionellen Mannschaften in drei Kategorien, "group sportiv I bis III" (GS I bis III) ein. GS I ist die höchste, GS II die darunter liegende Klasse. Seit diesem Jahr gibt es eine weitere Kategorie, die GS III. In diesen Teams "sollen Fahrer an die Strukturen, Bedingungen und das Reglement des Profi-Radsports herangeführt und an eine Betätigung in höherklassigen Mannschaften vorbereitet werden" (Quelle: Offizieller Pressedienst des "Bund Deutscher Radfahrer" [BDR], dem nationalen Spitzen-Fachverband). In diesem Jahr gibt es in Deutschland etwas mehr als 100 Berufsradfahrer in 11 Sportgruppen. Davon ist eine ein GS I-Team (Team Telekom), sechs sind GS II-Teams und drei gehören zur untersten Kategorie, GS III.

Entscheidend für die Zugehörigkeit in eine bestimmte Kategorie ist die Gesamtpunktzahl, die ein Team erreicht. Die UCI vergibt für jeden Fahrer Punkte je nach seiner Plazierung in den entsprechenden Radrennen mit UCI-Wertung. In diesem Jahr wurde das Reglement zu Gunsten der GS II-Teams geändert. Veranstalter müssen einen vorgeschriebenen Anteil von GS II-Mannschaften auch bei hochklassigen Rennen zulassen. Da die Mehrzahl dieser Rennen jedoch im Ausland stattfindet, ist die Chance für deutsche GS II-Mannschaften an diesen Rennen teilnehmen zu können, verschwindend gering, denn jedes Land unterstützt die eigenen GS II-Teams. Ein direkter Aufstieg in die GS I-Kategorie ist sehr unwahrscheinlich, zumindest für deutsche Teams. Nur die beste GS II-Mannschaft der Saison erhält das Angebot, im nächsten Jahr als GS I-Team an den Start zu gehen.

Für die GS III-Teams gibt es solche Regelungen nicht. Man ist froh über jeden Sponsor, der den Radsport auf dieser Ebene unterstützt, denn die Werbewirksamkeit nimmt nach unten hin überproportional ab. Dabei investieren diese Fahrer ebenso viel Zeit in den Radsport wie die der anderen Kategorien. Ausbildung oder Beruf nebenher sind nicht zu realisieren. Um den Fahrern eine finanzielle Sicherheit zu ermöglichen, müssen von einem potentiellen Sponsor der unternehmerische Finanzbericht des Vorjahres ebenso vorgelegt werden, wie eine Bankgarantie in Höhe von drei Monatsgehältern für alle Fahrer, Betreuer und Mechaniker. Gedacht ist die für den Fall, dass der Sponsor in Zahlungsschwierigkeiten gerät, und damit die Fahrer sich innerhalb dieser drei Monate ein neues Team suchen können. Verwaltet wird diese Bankbürgschaft vom BDR. Der Sponsor ist verpflichtet, Zahlungsschwierigkeiten umgehend dem Verband zu melden, damit dieser hinsichtlich der Bankgarantie und der Wechsel der Radprofis zu einem anderen Team rechtzeitig reagieren kann. Arbeitsverträge laufen mindestens über ein Jahr, vom 1.Januar bis 31.Dezember.

Das ist der Idealfall. Doch die Realität sieht anders aus. Oft sind die Verträge das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Im Falle des "Teams Greese", Sponsor ist die Internationale Spedition Greese mit Sitz in der Nähe von Schwerin, bekamen die Fahrer im Mai diesen Jahres zum letzten Mal ihr Geld. Das Monatgehalt betrug weniger als 1.000 Mark und wurde nicht regelmäßig überwiesen, sondern unregelmäßig bar bezahlt. Im September erhielten sie ein Schreiben, in dem die Rückgabe des gesamten Materials angemahnt wurde. Weiter hieß es in diesem Schreiben, dass eine Kündigung ab Juli bereits ausgesprochen worden war. Davon wussten die Fahrer jedoch nichts.

Der Unternehmer ist nicht zu erreichen, das Mahnverfahren, das ein Rechtsanwalt eingeleitet hat, ist bisher im Sande verlaufen: Ein Einschreiben kam zurück. Ein Konkursantrag des Unternehmers Greese ließ sich bisher nicht verifizieren.

Der zuständige Referent des BDR, Heiko Salzwedel, weiß angeblich von diesen Vorfällen erst durch die Medien. Und das, obwohl er und Greese sich gut kennen und schon manch gegenseitigen Gefallen getan haben. Salzwedel ging davon aus, dass "Greese im nächsten Jahr mit einem Co-Sponsor weitermacht". Zumindest angefangen hatte Greese zu Beginn des Jahres großspurig:"400.000 Mark werde man investieren; drei Ärzte, drei Mechaniker, vier Masseure und der frühere Radprofi Gregor Braun als Sportlicher Leiter sollen dafür sorgen, dass man ab dem Jahr 2000 in der GS II-Kategorie fährt". Ein Jahr später sollte dann Greeses "Traum an der Tour de France teilzunehmen" realisiert werden. So nachzulesen in der Radsport-Fachzeitschrift "tour".

Ähnlich gestalten sich meisten Team-Vorstellungen, die man zu Beginn jeder Saison in den Magazinen und Zeitungen finden kann. Darüber könnten die betroffenen Fahrer nur müde lächeln, wäre die Situation für sie nicht so ernst.

Vor die Wahl gestellt im wahrsten Sinne für "nen Appel und´n Ei" zu fahren oder irgendwo als Hilfsarbeiter anzuheuern, nehmen die Fahrer oft klaglos die unglaublichsten Verhältnisse in Kauf: Das vertraglich vereinbarte Geld kommt nur zu Teilen, aber zu spät. Es gibt zwei Verträge; einen offiziellen, um die Zulassung des Radsport-Weltverbandes zu erhalten und eine Abtretungserklärung, durch die zum Beispiel ein Teil des Honorars wieder zurückfließt. Sponsormaterial versickert in den Kanälen der Sportlichen Leiter, die vorzugsweise Radsport-Händler sind. Trainingslehre, Betreuung, Regeneration, Fürsorgepflicht und andere unverzichtbare Grundlagen sind Fremdworte.

Wenn die Fahrer auf diese Art und Weise an die Bedingungen des Profi-Radsports herangeführt werden, kann man allen nur von dieser Sportart abraten. Doch diese Konsequenz müsste nicht sein, würde es im Radsport zum einen professioneller und zum anderen verantwortungsbewusster zugehen. Ob die jungen Radprofis es noch erleben werden, dass Anspruch und Wirklichkeit sich ein Stück näher kommen, ist fraglich.

 

Ralf Meutgens © 1999 Ralf Meutgens - Am Mühlweg 35 - 36166 Haunetal
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